An wen dieses Schreiben verschickt wurde

Meine Antwort zu einem Standard-"Infoschreiben" mancher MdEP

Sehr geehrtes MdEP,

eine ähnliche Mitteilung, wie diese, hatte ich vor einigen Tagen Ihrem Kollegen Markus Ferber zukommen lassen, der mir als Antwort auf mein Informationsblättchen
http://www.ziegler-web.com/softwarepatente
ein Standardschreiben (siehe Anhang) hat zukommen lassen, welches Aussagen enthält, die jeden, der den wahren Sachverhalt um das Thema "Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen" kennt und sich zu seiner Klärung einsetzt, aufgrund der enthaltenen Unwahrheiten wie ein Schlag ins Gesicht anmutet. Am bittersten stößt die alte und nach wie vor unwahre Aussage auf, die Ratsrichtlinie würde den KMU nützen, anstatt ihnen zu schaden.

Letzte Woche nahm ich an der Anhörung teil, die Prof. Dr. Lauk (MdEP) einberufen hat. Ich würde es begrüßen, wenn auch Sie sich auf eine unparteiische Weise informieren würden. Prof. Dr. Lauk ist ebenfalls der Meinung, dass die KMU einen großen Schaden an der Richtlinie des Rates nehmen wird.

Software ist nicht mit patentierbarer Technik gleichzusetzen. Schauen Sie sich bereits erteilte Patente auf Software an (Software = Logik, ganz gleich, ob sie in "herkömmlicher" Computerhardware zum Zuge kommt, oder in Chips in anderer Hardware!), oder lassen Sie sich diese von Softwareentwicklern erklären. Zu 99% handelt es sich dabei um Trivialitäten. Es wird ein erheblicher Schaden verursacht, wenn Patentierbarkeit auf Biegen und Brechen ausgedehnt wird.

"Software als solche" wäre patentwürdig, wäre sie in ihrer Entstehung patentiert worden. Die Werke, die darauf aufbauen, sind es jedoch in den meisten Fällen aufgrund ihrer Eindimensionalität nicht! Also genau anders herum, als es vom EPA, Patentanwälten und manchen Großkonzernvertretern vertreten wird. Es ist z.B. für die Waschmaschinenindustrie ein Segen, dass nun keine Hardware mehr für die entsprechenden Funktionen erfunden werden muss, da nun alles auf einfache und billige Weise mittels Software gesteuert werden kann. Das macht daraus aber gerade keine Erfindungen!

Die Erfindungshöhe bleibt gänzlich auf der Strecke im Bemühen des EPA, möglichst viel "Innovation" durch viele Patentanmeldungen vorzutäuschen. Das zeigt dessen Patentierungspraxis ganz deutlich, wobei angemerkt werden muss, dass dieses bereits angekündigt hat (Quelle habe ich nicht zur Hand), daran nichts zu ändern. Der "Stand der Technik" begründet sich für EPA-Mitarbeiter hauptsächlich an bereits erteilten Patenten. Veröffentlichungen werden weitestgehend vernachlässigt, da es den dortigen Mitarbeitern z.B. nicht gestattet ist bei Google zu recherchieren.

Das ist unser Problem!

Es ist mir sehr wichtig, dass Sie verstehen, dass die Praxis zeigen wird, dass in Wahrheit eine Inflation der Ideen stattfinden wird. Ideensuchende ohne juristisches Organ (wie die meisten sehr innovativen KMU) werden in einem Meer von viel zu hochwertig verkauften, denn in Wahrheit billigen "softwaretechnischen Ideen" ersticken.

Mein Vorschlag:
Dem Rechtsausschuss sind zahlreiche Änderungsvorschläge von allen Seiten zugeschickt worden. Bitte sorgen Sie dafür, dass sichergestellt ist, dass der erfinderische Beitrag alleine in der Hardware, und nicht in der steuernden oder regelnden Logik (also der entsprechenden Software bzw. Firmware) zu finden sein darf, sowie nicht in der Schnittstelle.

Bezüglich der Angst weniger Unternehmen (hauptsächlich aus der Elektronikindustrie), dass die eigenen Entwicklungen ohne die Ratsrichtlinie nicht ausreichend geschützt werden können, möchte ich als Beispiel berichten, was mir an der Stellungnahme Dr. Gunther Kegels, Geschäftsführer der Pepperl + Fuchs GmbH, bei der oben erwähnten Anhörung aufgefallen ist:

Herr Kegel erklärte seine Situation anhand des Beispiels eines selbst entwickelten Mikrofons. Er beklagte, dass in den fernöstlichen Ländern Plagiate dieses Mikrofons produziert worden sind. Zum Glück war die implementierte Software jedoch durch ein Patent geschützt, womit die Plagiathersteller gestoppt werden konnten. An genauere Angaben darüber, ob und wie tatsächlich das, anscheinend in der implementierten Software enthaltene, Patent verletzt wurde, kann ich mich jedoch nicht erinnern und mir stellt sich jetzt die Frage, ob das Patent wirklich die Firma Pepperl + Fuchs GmbH geschützt hat oder die Chinesen daran gehindert hat, ihre eigene Entwicklung auf den Markt zu bringen.

Ich finde nur Argumente für Letzteres. Denn die "Plagiathersteller" hatten offenbar nur die Möglichkeit, die patentierte Funktion anhand der Patentschrift zu erlesen, und diese daraufhin selbst zu programmieren und, auf einen Eprom gebrannt, in ihr Mikrofon einzubauen. Das Patent selber konnte daraufhin als rechtlich Maßnahme von Pepperl + Fuchs GmbH umgesetzt werden.

Wie sähe es ohne Patente aus?

Die Pepperl + Fuchs GmbH hält den Quellcode ihres Programms geheim, wie es die letzten zwanzig Jahre erfolgreich von allen Entwicklern umgesetzt wurde, die den Aufbau ihrer Software nicht preisgeben wollen. Den Chinesen wäre nur die Möglichkeit des "Reengineering" geblieben, also des Zurückverfolgens der enthaltenen Logik anhand des, im Produkt enthaltenen, kompilierten Codes. Einfaches kopieren des kompilierten Codes wird bekanntlich durch das Urheberrecht verhindert.

Die Schwierigkeiten, die beim Reengineering auftreten, steigen jedoch exponential mit der Komplexität und Unbekanntheit des zu entschlüsselnden Codes. Ohne eigenes Verständnis dessen, was in den enthaltenen Algorithmen passiert, kann diese Aufgabe nahezu nicht bewältigt werden.

Ich sehe nun zwei Möglichkeiten:

  1. Das Reengineering ist möglich, dann muss ich jedoch schlussfolgern, dass es sich nicht um eine patentierungswürdige, da offensichtliche Idee gehandelt hat.

  2. Das Reengineering ist nicht möglich, weil der IT-Spezialist, der sich an diese Aufgabe begibt, die zugrundeliegenden logischen Zusammenhänge nicht erahnen kann. Damit ist auf natürliche Weise, nämlich durch die Außergewöhnlichkeit der Idee selbst, ein Schutz gegeben.

Ich hoffe, dass ich helfen konnte, besser zu beleuchten, warum eine Patentierung der Software (bzw. "Softwareimplementierungen") nicht nötig ist und ihrer Natur nach lediglich die Möglichkeit bereitstellt, die Konkurrenz, die von sich aus auf gleichen Möglichkeiten stoßen würde, zu behindern.

Aber glauben Sie mir nicht einfach so, was ich geschrieben habe, ich bitte Sie, verschaffen Sie sich selbst weitere Informationen darüber! Die KMU ist in ihren Lobbytätigkeiten beschränkt, da der Hauptteil ihrer Kraft in das Schaffen von Innovationen investiert wird. Die Informationen liegen vor Ihnen im Internet.

Mit freundlichen Grüßen
Dipl.-Ing. Alexander Ziegler



Anhang: Standardschreiben von Markus Ferber (MdEP)

Sehr geehrter Herr Ziegler,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage bezüglich der Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen. Dieses Thema wird in der Öffentlichkeit weitreichend diskutiert und leider auch oft missverstanden, weshalb ich Ihnen im Folgenden die Hintergründe des Richtlinienvorschlages sowie meinen Standpunkt dazu gerne erläutern möchte.

Heutzutage stützen sich moderne Erfindungen zunehmend auf Computerprogramme wie beispielsweise Mobiltelephone, intelligente Haushaltsgeräte und Maschinensteuerungen. Allerdings weichen die Rechtspraxen zur Erteilung von Patenten auf derartige Erfindungen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten zum Teil erheblich voneinander ab. Das führt dazu, dass eine bestimmte Erfindung in einem Mitgliedstaat ein Patent erhält, während es ihr in einem anderen Mitgliedstaat verweigert wird.

Da dieser Zustand für den gemeinsamen Binnenmarkt der Europäischen Union nicht akzeptabel ist, hat die Kommission vorgeschlagen, das Patentrecht in diesem Feld mittels einer Richtlinie zu harmonisieren. Allerdings soll eine generelle Patentierbarkeit von bloßer Software - wie sie in den USA praktiziert wird - nicht ermöglicht werden. Kernvoraussetzung für die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen soll vielmehr das Vorliegen eines technischen Beitrags sein. Reine Computerprogramme wie z.B. zur Datenverarbeitung, leisten keinen Beitag zur technischen Weiterentwicklung und bleiben daher von der Patentierbarkeit ausgenommen. Insofern ist die oft gebrauchte Bezeichnung Softwarepatent-Richtlinie irreführend und schlichtweg falsch.

Bei den Beratungen des Europäischen Parlaments in erster Lesung, wurde das Hauptaugenmerk auf die Definition des "technischer Beitrag" gelegt. Zum einen dürfe der Begriff nicht zu weit ausgedehnt werden, zum anderen solle deutlich werden, dass reine Software nicht patentfähig sein soll.

Der Rat hat in seinem Gemeinsamen Standpunkt die wesentlichen Änderungswünsche des Europäischen Parlaments aufgenommen und einen ausgewogenen Vorschlag vorgelegt. Dieser betont die Notwendigkeit eines technischen Beitrags und unterstreicht gleichzeitig, dass die neue Erfindung auch gewerblich anwendbar sein muss. Weiterhin wird ausdrücklich unterstrichen, dass ein Computerprogramm als solches nicht patentierbar ist. Auch die Befürchtung, einzelne bisher freie Softwareelemente könnten durch eine nachträgliche Patentierung geschützt werden, ist nicht berechtigt. Denn das Patent schützt nur die Erfindung in ihrer Gesamtheit, also die technische Idee, die hinter der Erfindung steckt. Einzelne Elemente der Erfindung werden weiterhin vom Urheberrecht geschützt.

Ich begrüße den Gemeinsamen Standpunkt des Rates, da er einen gelungenen Ausgleich der unterschiedlichen Positionen zum ursprünglichen Vorschlag der Kommission schafft. Allerdings muss das Europäische Parlament in der bevorstehenden zweiten Lesung besonders darauf achten, dass die Patentierbarkeit nicht zu weit eingeschränkt wird. Denn nur wenn sich EDV-gestützte Erfindungen noch lohnen, kann ein innovationsfreudiges Klima in der europäischen Softwareindustrie entstehen. Der technische Fortschritt darf nicht durch ein zu weit eingeschränktes Patentrecht gebremst werden.

Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen der IT-Branche sind Patente überlebenswichtig. Gäbe es nämlich die Möglichkeit der Patentierung nicht, würden große Unternehmen sehr schnell deren Ideen übernehmen und in eigenen Produkten wirtschaftlich vermarkten. Im Jahr 2003 wurde beispielsweise Microsoft wegen der Nutzung einer Erfindung eines kleinen Entwicklers zu 520 Mio. US-Dollar Schadensersatz verurteilt.

Mit Blick auf die zweite Lesung gibt es im Europäischen Parlament noch Diskussionsbedarf über die konkrete Ausformulierung des "technischen Beitrags", wobei ich die Gefahr sehe, dass über das Ziel hinausgeschossen werden könnte und die Patentierbarkeit zu weit eingeschränkt werden könnte. Außerdem bleibt zu klären, wie weit die Patentansprüche reichen sollen und wann es zum Ausschluss der Patentierbarkeit kommen sollte.

Ich bin jedoch sehr zuversichtlich, dass wir diese Punkte noch werden klären können und endlich Rechtssicherheit auf diesem sensiblen Gebiet werden schaffen können.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen zu können und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Markus Ferber, MdEP


Diese Info wurde am 19.05.2005 in gedruckter Form an folgende Mitglieder des Europäischen Parlamentes (alle CDU/CSU) versendet:

  • Reimer Böge
  • Jan Christian Ehler
  • Elmar Brok
  • Daniel Caspary
  • Alfred Gomolka
  • Ingeborg Grässle
  • Ruth Hieronymi
  • Lutz Goepel
  • Michael Gahler
  • Ingo Friedrich
  • Karl-Heinz Florenz
  • Georg Jarzembowski
  • Rolf Berend
  • Elisabeth Jeggele
  • Ewa Klamt
  • Christa Klass
  • Werner Langen
  • Armin Laschet
  • Kurt Lechner
  • Peter Liese
  • Thomas Mann
  • Hans-Peter Mayer
  • Hartmut Nassauer
  • Angelika Niebler
  • Hans-Gert Poettering
  • Bernd Posselt
  • Godelieve Quisthoudt-Rowohl
  • Herbert Reul
  • Ingo Schmitt
  • Horst Schnellhardt
  • Andreas Schwab
  • Renate Sommer
  • Manfred Weber
  • Anja Weisgerber
  • Karl von Wogau


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