An wen dieses Schreiben verschickt wurde

Logikpatente, Appell an das ethische Empfinden

Sehr geehrtes MdEP,

ich bitte Sie nochmals eindringlich, die nötigen Änderungen an der Richtlinie für die Patentierung computerimplementierter Erfindungen vorzunehmen, um mit ihr eine eindeutige und rechtsichere Trennung von patentierbaren und nicht patentierbaren Gegenständen festzulegen. Siehe dazu:
http://swpat.ffii.org/papers/europarl0309/amends05/juri0504/index.de.html#nukleus

Ich sehe noch häufig, dass von oberster politischer Instanz aus die Auswirkung des porösen Ratstextes falsch prognostiziert wird (Technizität z.B. wird beliebig gedehnt werden können. Nicht definiert ist außerdem "ein Computerprogramm als solches" etc.). Ich empfehle folgende Lektüre, die ich für gut lesbar, sachlich und prägnant halte: http://www.patentschmutz.org/epbrosch.pdf sowie natürlich die Vorschläge des FFII an die EVP: "Wie man die Ziele des 'Gemeinsamen Standpunktes' erreichen kann": http://swpat.ffii.org/papers/europarl0309/amends05/juri0504/ffiiepp050615.de.pdf.

Angesichts der Mittel, die von Lobbyisten weniger Konzerne angewendet werden, um sich gewaltsam in die Besitzrechte von Werken einzumischen, die wohlgemerkt nicht sie, sondern Softwareentwickler, erstellt haben, müssen Sie verstehen, dass die Entrüstung über das entsprechende politische Vorgehen bei den Wertschöpfern selber sehr groß ist.

Denn um sie geht es bei diesem Thema (siehe Anlage zum Richtlinientext) und weder um Vorstände von Großunternehmen, noch um Patentanwälte, noch um Politiker, noch um das EPA. Angesichts des niedrigen erfinderischen Niveaus vieler entsprechender, bereits vom EPA erteilter Verfahrenspatente (welche mit der unkorrigierten Rats-Richtlinie unterstützt würden), fühlen sich die meisten Softwareentwickler der Benutzung ihres nützlichsten Werkzeugs, ihres kreativen und analytischen Denkens, beraubt. Die Qualität der Innovation wird darunter leiden, trotz Wachstum der Patentsammlung der Patentämter (von der man auf der Seite "prevalent - Stand der Technik" (unten klicken) unter der Rubrik "Ausgewählte Patente" eine recht gute Kostprobe bekommen kann!).

Ich hoffe, dass Sie sich dem ethischen Aspekt dieser Entscheidung voll bewusst sind!

Denn die Meinung der Entwickler ist erwiesenermaßen eindeutig: dort besteht kein Bedarf daran, Patentanwälten ein saftiges Gehalt zu zahlen in dem Wissen, dass Software (oder Softwarekomponenten aus anderen Geräten als PCs) bereits wirksam geschützt ist (Urheberrecht, Codekompilierung und -verschleierung). Die Missbrauchsgefahr ist bei Logikpatenten viel zu hoch und wird nachweislich durch die Patentämter ganz und gar nicht zu verhindern versucht.

Ich selbst zum Beispiel entwickle gerade eine Software, die zunächst auf einem PC mit Standard-Hardware laufen wird, aber auch in einer "Umgebung angewandter Naturwissenschaft" sinnvolle Aufgaben ausführen könnte. Da in der Richtlinie z.B. nicht klargestellt ist, dass der "erfinderische Beitrag" nicht in der implementierten Logik gewichtet sein darf, würde mein Programm mit der aktuell vorliegenden Richtlinienfassung als patentierungswürdig aufgefasst werden können (Artikel 4a und 5) bzw. könnte bestehende Patente verletzen.

Das Ärgerliche dabei ist, dass ich diesen "Schutz" nicht will, da ich zunächst keine Details der verwendeten Verfahren preisgeben möchte. Dies ist jedoch bei einer Patentschrift Pflicht. Melde ich also keine Patente an, dann könnte es mir passieren, dass andere sich ein "Recht" auf diese, für mich als Eingearbeiteten auf diesem Gebiet, naheliegenden Verfahren reservieren und mich dann rechtlich behindern.

Veröffentliche ich aber auf der anderen Seite diese zahlreich enthaltenen Verfahren mittels Patentschriften, muss ich befürchten, dass ein Unternehmen mit viel größerer Kapazität meine halbgaren Verfahren aufgreift, sie schneller als ich weiterentwickelt und mir dann mit Patenten auf die Endlösung, auf die ich später auf meinem Entwicklungspfad auch gestoßen wäre, den Weg verstellt.

Ganz davon abgesehen, dass ich mir weder Patentanmeldungen, noch Rechtstreitigkeiten leisten könnte.

Zur Zeit habe ich weniger zu befürchten. Die derzeitige, unzureichend definierte Rechtslage stellt ein Hemmnis zur Einklage solcher Patente dar. Mein Programm würde durch das Urheberrecht vor Dekompilierung (sofern diese überhaupt möglich ist) geschützt sein und den Quellcode betrachte ich als Geschäftsgeheimnis. Niemand kann meine Methoden einfach kopieren. Zwar können äußerliche Designelemente kopiert werden, aber diese machen weniger als 1% meiner Entwicklungszeit aus. Entsprechend käme mir eine Richtlinie am meisten entgegen, die mich explizit vor Patentstreitigkeiten schützen könnte, was durch die Durchsetzung einiger Ihrer vorliegenden Änderungsvorschläge erreicht werden kann.

Bitte betrachten Sie genau die Beweggründe derjenigen, die Ihre Meinung formen bzw. geformt haben! Ich las neulich, im Zusammenhang einer politischen Diskussion zu diesem Thema von einem Totschlagargument gegen die Gegner der Rats-Richtlinie, wobei diese mit Sektenanhängern verglichen wurden. Es ist erschreckend, dass auf dieser Ebene Ethik mit Sektengehabe verwechselt wird. Wie Sektenanhänger erscheinen mir sehr viel eher die, nach Anerkennung aus den eigenen Reihen getriebenen, Lobbyisten großer Konzerne, die weder direkt ihre eigene Existenz gefährdet sehen, noch in irgendeiner Weise eine wertschöpfende Rolle bei den Produkten einnehmen, um deren Patentierbarkeit es geht.

Ich hoffe, dass Sie, als Vertreter der demokratischen Mehrheit, für Ihre bevorstehende Entscheidung neben der Sachlage auch die Motivationen der Einzelnen kritisch betrachtet haben und sich nicht von Rang und Namen haben blenden lassen. Auch hoffe ich, dass Sie ihre eigene, unabhängige Entscheidung treffen.

Mit freundlichen Grüßen
Dipl.-Ing. Alexander Ziegler


Dieses Schreiben wurde am 22.06.2005 in gedruckter Form an folgende Mitglieder des Europäischen Parlamentes (alle CDU/CSU) versendet:

  • Angelika Niebler
  • Anja Weisgerber
  • Christa Klass
  • Doris Pack
  • Elisabeth Jeggele
  • Ewa Klamt
  • Godelieve Quisthoudt-Rowohl
  • Ingeborg Grässle
  • Renate Sommer
  • Ruth Hieronymi
  • Albert Dess
  • Alexander Radwan
  • Alfred Gomolka
  • Andreas Schwab
  • Armin Laschet
  • Bernd Posselt
  • Christoph Konrad
  • Daniel Caspary
  • Elmar Brok
  • Georg Jarzembowski
  • Hans-Gert Pöttering
  • Hans-Peter Mayer
  • Hartmut Nassauer
  • Herbert Reul
  • Horst Schnellhardt
  • Ingo Friedrich
  • Ingo Schmitt
  • Jan Christian Ehler
  • Karl von Wogau
  • Karl-Heinz Florenz
  • Karsten Friedrich Hoppenstedt
  • Kurt Lechner
  • Lutz Goepel
  • Manfred Weber
  • Michael Gahler
  • Peter Liese
  • Reimer Böge
  • Rolf Berend
  • Thomas Mann
  • Werner Langen


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